Ich finde die Werbung aus dem Hause Wieden + Kennedy fast perfekt. Der Film spielt bei Sonnenuntergang auf einer langen Landstraße, der man die Landstraße ansieht. Die Kamera ist anfänglich auf Bodenhöhe und bewegt sich langsam rückwärts, vorbei an alten Briefkästen. Wir hören laut die Atmosphäre, bestehend aus Grillen und man meint entfernt eine Schnellstraße zu hören. Am Horizont der Straße sieht man einen Jungen laufen, klein und ungelenk. Jeder Schritt klingt wie ein schlürfendes Ticken. Dann fängt die Stimme an zu erklären, für uns zu denken. Klingt wie ein Trainer, sportlich, etwas englisch. Er redet über Größe, dass wir, die Menschen, etwas falsches unter Größe verstehen. Er behauptet, dass wir unter Größe etwas verstehen, dass nur wenigen vorbehalten sei. Dass Größe, also wahre Größe, ein besonderes Geschenk ist, das nur die Anderen haben, die wir als Berühmtheiten kennen. Wie er so redet kommt der Junge immer näher. Völlig unsportlich holt er die Kamera ein. Ein beeindruckender Effekt. Wir sehen durch das durchsichtige Shirt seinen massigen Körper, der allen Werbefiguren widerspricht. Die Kamera erhebt sich auf Brusthöhe. Der Mann aus dem Off, der gerade über die Größe spricht, die jemdem von uns inne wohnt, findet in dem Jungen sein Vorzeigemodell. Ganz nach dem Nike Motto “Do it yourself” macht er, der Junge, es einfach. Er beweist wie viel in ihm steckt, er hat sich auf den Weg gemacht sein Ziel zu erreichen, strebt wieder das gesunde Durchschnittsmaß an, ändert seine Ernährung, bejaht das Leben, in dem er es selbst in die Hand nimmt.
Der Junge ist schon eine beeindruckende Figur, der viel angedichtet wird. Wir sehen ihn in seinem ganz privaten Moment, auf seinem Weg, dem monotonen Weg, auf dem die Willenskraft sekündlich aufs Spiel gesetzt wird. Er läuft, keineswegs perfekt, aber er hat angefangen. Das motiviert, das ist wahre Größe.
Weil die emotionale Wirkung nicht verfehlt wird, finde ich die Kampagne gut. Und Wieden + Kennedy beweisen, wie wenig es braucht für gute Werbung.
Etwas, ganz am Schluss, trübt das Mienenspiel des Jungen meinen positiven Gesamteindruck. Ich weiß nicht ob es mich stört, weil ich das Haar in der Suppe suche oder weil es mir so unnatürlich vorkommt.
An dieser Stelle will ich auf die neue (Kampagnenstart 24.10) Saturn Werbung weisen. Ich bin durch eine E-Mail darauf aufmerksam gemacht worden. Und da ich berechtigt bin zu urteilen, will ich von diesem Recht gebraucht machen.
Der Saturn-Werbe-Clip zeigt ein Fussballspiel auf einem Fernsehr in einer Hütte, einer Spelunke, irgendwo im Weltall, eher direkt am Saturn, wo sich die Marsmenschen-Looser treffen, die Einäugigen, die hilflosen Fälle. Das zumindest, suggeriert mir die manipulative Auswahl der Charaktere. Die anwesenden Bartümmler, zwei ausserirdische Protagonisten, schauen sich also dieses Fussballspiel auf dem Fernseher an, welcher, wie so üblich in diesen Bars, hinter dem Tresen, weiter oben angebracht wurde.
Plötzlich, der Empfang wechselt, ein bayrisches Volksgedudel ertönt, respektive erscheint auf der Mattscheibe. Natürlich ist der alkoholgeneigte Kneipengänger sauer. Der Barkeeper, welcher völlig überzeichnet von Alice Cooper gespielt wird, greift geistesanwesend zu der Antenne. Doch die Antenne sind Hörner von einem Hirsch. Ist das nicht urkomisch? Jedenfalls bewegt er da rum, der Kanal wechselt abermals, Gestöhne und an Koitus erinnernde Geräusche lassen keinen Zweifel an dem Programm, welches für nicht unmerklich lange Zeit beibehalten wird.
Dann doch, findet unser Barkeeper das Fussballspiel wieder und eine Synchronstimme behauptet, zu den amerikanischen Lippenbewegungen Coopers asynchron und zu der umliegenden Stimmung unpassend: “Alles eine Frage der Technik.” Ein Spruch, den einst MetaDesign für unser Technikkaufhaus Conrad einprägsam machte. Dann: “Sternhagel günstig”. Zumindest ist mir der Spot nach ein mal gucken so in Erinnerung. Es ist ein Experiment, was alles hängen bleibt.
Saturn ist an Billigkeit nun nicht mehr zu toppen.
Glückwunsch
Muss ich noch mehr dazu sagen? Ist das wirklich ernst gemeint? Alles eine Frage der Technik. Aha. Was meint er damit? Rühmt er sich dafür, dass er mit der richtigen Technik, im Sinne von Technikverständnis, das Bild zurückholen konnte? Liegt es nicht zu nahe, dass die richtige Technik Bildausfälle wie diesen gar nicht zulassen würde? Ja schon, aber wo ist dann die Werbung für Saturn? Sternhagel– Das kennt man vom Betrunkensein. Für mich eine weitere Anspielung auf die Zielgruppe. Aber es ist sternhagelbillig. Das wiederum weist auf den Weltraum hin. Sterne hageln aus dem Weltraum, aber eher selten. Aber wenn es hagelt, dann richtig. Es meint also den Superlativ der Billigkeit, mit Anspielung auf die Zielguppe. Der Spot an sich zeigt keine tollen Produke. Mehr oder weniger Schund. So wie superlativ billig eben auch qualitativ billig sein muss. Die alte Leier. Billige Preise, billige Qualität, billige Werbesprüche, billige Charaktere, billige Umsetzung, teure Kampange.